Cala meint
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Olivenernte in der Toskana

Seit gestern bin ich zurück aus der Toskana und habe nicht nur der Kopf voller neuer Eindrücke und das Auto voller großartiger Produkte, sondern auch wieder viel gelernt. Unglaublich beeindruckend war die Olivenernte und ich bin sehr froh, dass ich den langen Weg auf mich genommen und mir die Ernte und das Pressen tatsächlich vor Ort angesehen habe.

Ulisse und Sandra vom Podere Il Casale sind vor mehr als 20 Jahren aus der Schweiz in die Toskana gekommen. Hier, zwischen Pienza und Montepulciano, machen sie seitdem einen unbezahlbaren Job und tragen mit viel Herzblut, Leidenschaft und persönlichem Einsatz zum Erhalt ländlicher Strukturen und landwirtschaftlichem Wissen bei. Sie stellen aus Schafs- und Ziegenmilch in einer eigenen Käserei phantastischen Käse her, machen hervorragendes Olivenöl, Pasta und Honig, kümmern sich um Ziegen, Schweine, Schafe, Esel, Zeigen, Hunde, Katzen und Bienen, führen an diesem traumhaften Ort ein Gästehaus und bewirten zweimal am Tag eine ganze Schar von Gästen, die zum Lunch oder Dinner auf den Hof kommen. Ich kann kaum glauben, dass Ulisse sich trotz dieses unglaublichen täglichen Programms die Zeit genommen hat, mir die Olivenernte zu zeigen und zu erklären. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich seinem herrlichen Schweizer Akzent stundenlang zuhören könnte und daher eine willige Zuhörerin bin – seit dem Sommer habe ich unglaublich viel von ihm gelernt. Umgekehrt liegt ihm viel daran, sein Wissen weiterzugeben und Menschen zu sensibilisieren, wenn es um gesunde Ernährung geht.

Was die Olivenernte betrifft, so stand in meiner Vorstellung ab Oktober die halbe Toskana auf kleinen Leitern an Olivenbäumen und pflückte ganz romantisch einzeln jede Olive vom Baum – ich stellte mir das in etwa so vor, wie das Pflaumenpflücken bei uns… Inzwischen habe ich festgestellt, dass so gut wie jeder außer mir wusste, wie die Olivenernte wirklich funktioniert – für alle anderen hier mein Bericht…

Ich komme am frühen Nachmittag nach Il Casale und Ulisse schickt mich grob in Richtung Waldrand, wo ich dann schon einen blauen Traktor sehen würden. Waldrand und Traktor finde ich gleich, allerdings dauert es eine Weile, bis ich den Zugang zu dem Landstück entdecke, auf dem die Olivenbäume stehen. Vorbei an den Bienenstöcken geht es über eine Wiese in dieser bizarr stillen Landschaft, die so unglaublich schön ist, dass allein das mein Herz aufgehen lässt: die Vorstellung, dass die Oliven für das Öl, das ich das ganze Jahr über essen werde, einen ganzen Sommer lang in dieser Kulisse – ohne jedwede Industrieabgase, ohne Verkehr, ohne Lärm reifen durften, finde ich großartig.

unter den Olivenbäumen werden feine Netze ausgelegt

Ich treffe schließlich auf ein Gruppe aus drei Personen, die mit der Olivenernte beschäftigt ist. Es ist noch mal ein schöner, heißer Tag und da in Il Casale immer jede Menge Leute aus aller Welt zusammentreffen, geht es auch bei der Olivenernte international zu und man erzählt sich bei der Arbeit, wo man herkommt und was man im „richtigen“ Leben so tut.

Geerntet wird, indem man unter die Olivenbäume große Netze legt. Dann werden mit einer elektrischen Maschine an einem langen Stock die Oliven von den Zweigen geschüttelt. Niedrigere Zweige erreicht man mit der Hand und „kämmt“ die Oliven mit einer Art Plastikkamm von den Zweigen. Ist ein Baum abgeerntet, werden die Oliven aus den Netzen in Kisten gesammelt.

Wenn genügend Oliven zusammengekommen sind (für 1 Liter Olivenöl braucht man ca. 10 kg Oliven!), werden die Oliven in die Mühle gebracht. Für die Qualität des Öl ist es entscheidend, dass die Oliven nach der Ernte so schnell wie möglich gepresst werden. Sobald eine Olive beschädigt – also geöffnet – ist, beginnt ein Oxidationsprozess, der die Qualität des Öls massiv beeinträchtigt. Schon ein kleines Loch – verursacht z.B. durch die Olivenfliege – kann einen solchen Schaden herbeiführen. Auch längeres Liegen beeinträchtigt die Qualität enorm.

Über 20 km geht es im geschlossenen Lieferwagen von Pienza in einen Vorort von Montelpulciano wo die Familie Burashi, mit der Ulisse befreundet ist, seit 40 Jahren eine Ölmühle betreibt. Früher wurden hier die Oliven in großen schweren Mühlsteinen durch Matten gepresst. Das komplizierte Verfahren, bei dem die Oliven lange dem Sauerstoff ausgesetzt waren, war nicht nur unglaublich anstrengend, sondern wirkte sich auch extrem negativ auf die Qualität des Öls aus. Deshalb wissen selbst Olivenbauern, die die Tradition lieben, die modernen Maschinen zu schätzen. Niemand, der es sich leisten kann, und der eine genügend große Menge an Oliven zu pressen hat, würde deshalb heute auf diese Möglichkeit verzichten. Auch die Burashis besitzen eine solche – besonders hochwertige – Maschine.

alte Mühlsteine - so wurde früher das Ol gepresst

Jetzt zu Anfang der Erntezeit, arbeiten die Mühlen noch nicht jeden Tag, aber trotzdem sind doch einige Leute vor uns und wir warten geduldig, bis wir an der Reihe sind. Vor und nach dem Ausladen wird das Lieferfahrzeug gewogen und so die Menge der angelieferten Oliven errechnet. Ein Post-it an der Maschine regelt dann ganz unkompliziert die Reihenfolge und markiert, wem welches Öl gehört.

Ulisse kippt die Oliven in den Trichter vor der Mühle

Wer an der Reihe ist, kippt seine Oliven in einen großen Trichter außen in der Mühle, durch den die Oliven in die Maschine laufen. Zuerst werden dann mit einem Gebläse die Blätter und kleinen Zweige entfernt, dann werden die Oliven gewaschen. Nach dem Waschen werden sie zerquetscht und der Brei ausgiebig geknetet. Dann die eigentliche Pressung und aus dem grauen Matsch fließt plötzlich ein wunderschönes, intensiv grünes Öl. Dieser gesamte Prozess findet in einem geschlossenen System unter Ausschluss von Sauerstoff statt.

Der Brei aus Oliven und Olivenkernen wird intensiv in mehreren Stufen geknetet - die Produktion des Öls erfolgt maschinell in einem geschlossenen System unter Sauerstoffausschluss

nach langem geduldigen Warten beginnt endlich das Öl zu fließen: fruchtig grün und wunderbar duftend...

Dieses Öl ist nicht nur farblich, sondern auch geschmacklich großartig: fruchtig und sehr kräftig…. Es hat die beste Qualität, die möglich ist und trägt deshalb – im Gegensatz zu vielen anderen Ölen, die wir bei uns zu kaufen bekommen – zu Recht die Bezeichnung „extra vergine“, ist also natives Olivenöl, extra kaltgepresst und so schonend wie möglich gepresst. Ein so frisches Öl bekommen wir hier in Deutschland allerhöchsten mal durch Zufall zu sehen und sicherlich ist niemand von uns diesen Geschmack wirklich frischen Olivenöls gewohnt. Ich persönlich liebe es so, kenne aber auch Menschen, denen der Geschmack zu kräftig ist. Das Öl reift allerdings in den Flaschen nach – der extrem kräftige Geschmack hält in etwa 2-3 Monate an, dann wird das Öl automatisch milder.

über eine moderne Abfüllanlage wird das Öl auf Flaschen gezogen und verschlossen

Während wir auf das neue Öl warten, führt mich Ulisse in einen Nebenraum der Mühle, wo auf modernen Abfüllanlagen das Öl auf Flaschen gezogen wird. Wir alle helfen mit, das Öl von der Pressung vom Sonntag abzufüllen. Man kennt sich und jeder hilft jedem. Zwischendurch geht Carla Burashi immer mal wieder raus in die Küche, weil sie das Abendessen auf dem Herd hat, man schwätzt, erzählt sich die Neuigkeiten aus der Gegend und bleibt gelassen, wenn mal etwas nicht so funktioniert wie geplant.

Etikettiert werden die Flaschen im Podere, Ulisse nimmt sie mit und wir verabreden, dass ich die bestellten Flaschen von meiner Abreise am Mittwoch abhole. Müde und sehr beeindruckt fahre ich zurück in die Fattoria, natürlich nicht, ohne mir eine Flasche Öl für das Abendessen mitzunehmen, denn nachdem ich den ganzen Tag diesen wunderbaren Geruch in der Nase und das Öl vor Augen hatte, kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als eine Mahlzeit mit Weißbrot, Käse und Olivenöl – und natürlich einem schönen Glas Wein.

Lebensmittelkauf ist Vertrauenssache

Auch der Olivenölmarkt ist mittlerweile weltweit hart umkämpft, Dumping-Preise, übelster Pfusch und Geldmacherei sind an der Tagesordnung. Dass der Abfall von der ersten Pressung dann nicht selten noch ein zweites und drittes Mal gepresst wird und immer noch „extra virgine“ genannt wird, ist dabei noch das geringste Übel. Olivenöl ist ein Massenprodukt und allein wenn man sich vor Augen hält, dass Italien 15% mehr „Olivenöl“ exportiert als es selber produziert, kann man sich in etwa ausmalen, was da so alles bei uns im Handel landet (ganz abgesehen davon, dass der beträchtliche Inlandskonsum noch eingerechnet werden muss). Billigprodukte aus Nordafrika drängen zunehmend auf dem Markt. Das soll nicht heißen, dass diese Öle per se schlecht sind, denn das ist nicht der Fall. Aber umso undurchsichtiger die Quellen sind, desto schwerer wird es, Qualität, Herstellungs- und Arbeitsbedingungen zu prüfen – wir kaufen die Katze im Sack und akzeptieren, dass vertrauenswürdige, traditionelle Strukturen systematisch zerstört werden.

der Abfall vom Pressen - nicht selten wird er nochmal gepresst und landet auf dem Verbrauchermarkt

Wer ein qualitativ hochwertiges Olivenöl haben möchte, sollte sich auf jeden Fall einen Händler suchen, dessen Quellen nachvollziehbar sind und der auch selber weiß, was in seinen Flaschen ist und wie es dort hingekommen ist. Dass man ein solches Produkt nicht im Supermarkt findet, versteht sich von selbst.

Für viele Olivenbauern in Italien lohnt sich die Herstellung von Olivenöl leider überhaupt nicht mehr. Viele sind den Preiskampf und den ewigen Druck leid, verkaufen ihre Olivenbäume an reiche Villenbesitzer auf der ganzen Welt, die damit ihren Vorgarten schmücken (das ist kein Scherz…) und produzieren nur noch eine kleine Menge für den eigenen Bedarf. Die regionalen Ölmühlen schließen und wie überall auf der Welt hat das Sterben des einen den Tod des anderen unweigerlich zur Folge – profitieren tun davon wirklich nur die ganz Großen. Im Umkehrschluss heißt das auch, dass an wirklich gutes, traditionelle Olivenöl nur noch derjenige kommt, der selber gute Beziehungen nach Italien hat, oder wenigstens jemanden kennt, der gute Beziehungen hat.

uralter Olivenbaum

Im Klartext heißt das aber auch: Wer nicht möchte, dass diese Strukturen vollends aussterben und wer auch morgen noch anständiges Öl kaufen will, muss bereit sein, für gute Qualität vernünftig zu bezahlen. Die reinen Herstellungskosten für 1 Liter Olivenöl liegen bei etwa 9 Euro und wenn man das weiß, dann kann man sich sehr gut überlegen, was man bekommt, wenn man nur 4 oder 5 Euro bezahlen möchte.

Ich bin sehr froh, dass wir eine Quelle für unser Olivenöl gefunden haben, dessen Herkunft und Produktionsprozess für mich von A bis Z nachvollziehbar ist und hinter dem äußerst liebenswerte, lebendige Menschen mit Herz, Seele und Geschichte stehen, deren erste Absicht es ist, ein hochwertiges Produkt zu machen.

Ich glaube es ist keine Fehlinterpretation, wenn ich beobachte, dass es immer mehr Menschen gibt, denen die Herkunft der Lebensmittel, die sie konsumieren am Herzen liegt und die kleine, gesunde Strukturen unterstützen möchten. Umso mehr freue ich mich, Ulisse und Sandra von Il Casala mit ihrem Enthusiasmus kennengelernt zu haben und euch ein Stück von dieser Welt mitbringen zu können.

In diesem Sinne
liebe Grüße
eure
Cala

PS: Bitte denkt daran: Wir dürfen dieses Öl aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht im Webshop zeigen. Wenn ihr Olivenöl bestellen wollt, schreibt mir bitte einfach eine E-Mail an info@cala-kocht.de.

 

 

 

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